Sonntag, 27. November 2016

street art im Kloster



Als ich vor kurzem für ein paar Tage im Kloster St. Ottilien war, entdeckte ich dort interessante Graffitis, die bei einem Street-Art-Festivals 2012 entstanden waren:


Was kostet deine Seele
Selbstportrait des Künstlers Ewgraf Alexander als Mephisto-Manager. Ewgraf ist ein deutsch-russischer Maler und Installations-Künstler. Er studierte Kunst und angewandte Kunst an der Universität Irkutsk und leitete während der Perestroika das dortige städtische Museum.



Die Heilige Ottilie, Nothelferin der Augenleidenden und Namenspatronin des Klosters, kniet auf einem sich schnell drehenden Spielzeug-Karussell. In ihren Händen hält sie ihr Attribut, ein Buch, auf dem zwei Augen liegen – „lumen caecis“. Gemalt von Interesni Kazki WAONE / AEC - Ukraine.


heaven meets earth
Das Wandbild des Münchner Künstlers Loomit zeigt Sankt Ottilien als einen Ort, wo sich Himmel und Erde begegnen. Feurige Hände strecken sich nach oben und malen Wolken in den Himmel. Der Himmel dagegen lässt Kühe ins Allgäu regnen, wo sie eine sanfte Landung erwartet.


Memento Money
Der Sargdeckel hebt sich. Zum Vorschein kommt ein Skelett in Lederhose und mit Trachtenhut. Es regnet Geldscheine. Das Werk des österreichischen Künstlers Nychos prangt riesengroß an der Fassade des alten Kuhstalls von St. Ottilien. Über dem Werk steht „Memento Money“, eine satirische Abwandlung der lateinischen Mahnung „Memento mori“ (Bedenke, dass du sterben musst).


Feuer Vogel
Loomit, Star der Sprayer-Szene, wählte ein weniger gewagtes Motiv. Die Fassade des alten Spritzenhauses der Klosterfeuerwehr verzierte er mit einem Feuerwehrmann in Mönchskutte, Helm und Atemschutz beim Löschen.





Kreislauf der Industrieabgase
Aus Fabrikschornsteinen steigen Abgase empor, die sich im Wasser anreichern und dort in die sterbenden Bäume aufsteigen.
Der 1978 in Polen geborene Künstler Mariusz Waras alias M-City thematisiert widmet sich dem eher ungewöhnlichem Thema Stadt und Architektur. M-City benützt einen geometrischen Stil und zerteilt die Flächen in zahllose geometrische Fragmente. Aus der Ferne wirken die Motive dekorativ, aber aus der Nähe zeigen sie komplexe Details.


Lautlose Impulse Musik
zeigt eine Abbildung der (Kloster-)Zeit von Krug Tobias in einem Zeitraum von 111 Jahren. (Beginn: 29.06.1903 = Weihe der Klosterkirche

) 1 Tag = 1 mm. Bekannt wurde Krug durch eine multimediale Raum-Zeitvertonung, welche planetare Rhythmen hör- und sichtbar macht.


We were given paradise
Neben einem riesigen Müllberg schreibt ein jugendlicher Sprayer „We were given paradise“ an die Wand.
DOTMASTER – alias Leon Seesix – ist ein Graffiti-Aktivist des Londonder underground, der die Kunstszene mit ihrer Selbstbeweihräucherung und die Kommerz-Konsum-Wegwerfkultur durch den Kakao zieht. 




Traum des Räubers Mathias Kneißel
Der 65-Jährige Grafiker und Bühnenmaler Karl Witti malte den Räuber Kneißl auf einer Insel. um ihn herum aufbrechende Gefängnismauern und blauen Himmel. Segel blähen sich als Symbol der Hoffnung.

(Infos aus: http://www.guide.ottilien.de/streetartfestival)

Dienstag, 8. November 2016

ein Kreuz für den Knast


Kunst macht Mehrzweckraum zum Kraftort für Gebete






(Foto: Andreas Lode)



Vom Mehrzweckraum zum Ort für Gebete:

(Text von Petra Krauß-Stelzer in Augsburger Allgemeine)


Es war der von Papst Franziskus im Rahmen des Jahres der Barmherzigkeit ausgerufene Tag der Gefangenen, an dem ein nüchterner Mehrzweckraum in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg-Gablingen gestalterisch zu einem Raum für Gottesdienste wurde – einem Raum, in dem die Inhaftierten Gott ihre Bitten darbringen können.




In einem von den anwesenden Gefangenen musikalisch gestalteten Gottesdienst weihte Domkapitular Prälat Bertram Meier einen von Künstler Nikodemus Löffl gestalteten Altar und ein von Künstler Egon Stöckle geschaffenes Kreuz ein.



Das Besondere an den sakralen Kunstwerken: Sie sind mobil und machen den Mehrzweckraum nach Bedarf zu einem Raum voller Andacht und Spiritualität. So wirken Altar und Kreuz für Felix Landgraf, Kunstreferent der Diözese Augsburg, wie „Kraftorte“. Der evangelische Pfarrer Roland Höhn führte durch den Gottesdienst, bei dem, unterbrochen von Gebeten, Evangelium und Predigt, der katholische Seelsorger Michael Barnt zusammen mit den Künstlern nach und nach die Kunstwerke vor den Besuchern aufstellte: Zunächst eine stabile Stele für die Osterkerze, neben der der Ambo – ein Pult für Lesungen – zu stehen kam, beides aus der Hand von Nikodemus Löffl. Unterstützt von den Gefangenen, bauten Löffl und Barnt den Stabilität ausstrahlenden vierteiligen Altar aus Pappelholz auf. Ebenfalls gemeinsam auf einen Sockel aufgesteckt und zusammengesetzt wurde das von Egon Stöckle geschaffene Kreuz aus Eiche.




Hier muss Kirche immer wieder neu entstehen, wenn man Gottesdienst feiern will“, erklärt der bei Erding lebende und arbeitende Holzbildhauer Nikodemus Löffl sein Werk: Man muss die mit einer Kettensäge geschaffenen Holzteile gemeinsam hereintragen und zusammenbauen: die beiden aus jeweils einem Stück gesägten Böcke und die aus einem Stamm gesägten beiden Teile der Tischplatte, die auf die Böcke gelegt werden. Die durch den Mehrzweckraum bedingte Mobilität der Kunstwerke unterstreiche das konstruktive, temporäre Element. Sein Anliegen sei gewesen, mit der Gestaltung vom Altar, Ambo und Kerzenhalter sich bewusst von der rechteckigen Konzeption des Gefängnisbaus abzuheben, sagt der 56-jährige Löffl. Das Kreuz für einen Gottesdienstraum in einem Gefängnis sei kein anderes als für eine „normale“ Kirche, sagt Egon Stöckle. Wie Löffls Altar ist auch das fragile Kreuz, das der 80-jährige, in Hohenfurch lebende Bildhauer geschaffen hat, zusammensetzbar. 



Es ist kein geschnitzter Christus; die Spiritualität ausstrahlende Figur, zusammengesetzt aus schmalen Holzteilen, das Gesicht gespalten in zwei Teilen, die Arme angesetzt, symbolisiert die Zerstörung der Existenz Jesu durch den Menschen, gleichermaßen aber wieder Einheit und Heilung des verletzten Menschen. Über dem Haupt ist ein goldene Krone in das Kreuz eingeritzt – die Gestaltung erinnert an den vor Jahren von Stöckle für die Kapelle des Klinikums Augsburg geschaffenen „Christus im Kreuz“.