Dienstag, 8. November 2016

ein Kreuz für den Knast


Kunst macht Mehrzweckraum zum Kraftort für Gebete






(Foto: Andreas Lode)



Vom Mehrzweckraum zum Ort für Gebete:

(Text von Petra Krauß-Stelzer in Augsburger Allgemeine)


Es war der von Papst Franziskus im Rahmen des Jahres der Barmherzigkeit ausgerufene Tag der Gefangenen, an dem ein nüchterner Mehrzweckraum in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg-Gablingen gestalterisch zu einem Raum für Gottesdienste wurde – einem Raum, in dem die Inhaftierten Gott ihre Bitten darbringen können.




In einem von den anwesenden Gefangenen musikalisch gestalteten Gottesdienst weihte Domkapitular Prälat Bertram Meier einen von Künstler Nikodemus Löffl gestalteten Altar und ein von Künstler Egon Stöckle geschaffenes Kreuz ein.



Das Besondere an den sakralen Kunstwerken: Sie sind mobil und machen den Mehrzweckraum nach Bedarf zu einem Raum voller Andacht und Spiritualität. So wirken Altar und Kreuz für Felix Landgraf, Kunstreferent der Diözese Augsburg, wie „Kraftorte“. Der evangelische Pfarrer Roland Höhn führte durch den Gottesdienst, bei dem, unterbrochen von Gebeten, Evangelium und Predigt, der katholische Seelsorger Michael Barnt zusammen mit den Künstlern nach und nach die Kunstwerke vor den Besuchern aufstellte: Zunächst eine stabile Stele für die Osterkerze, neben der der Ambo – ein Pult für Lesungen – zu stehen kam, beides aus der Hand von Nikodemus Löffl. Unterstützt von den Gefangenen, bauten Löffl und Barnt den Stabilität ausstrahlenden vierteiligen Altar aus Pappelholz auf. Ebenfalls gemeinsam auf einen Sockel aufgesteckt und zusammengesetzt wurde das von Egon Stöckle geschaffene Kreuz aus Eiche.




Hier muss Kirche immer wieder neu entstehen, wenn man Gottesdienst feiern will“, erklärt der bei Erding lebende und arbeitende Holzbildhauer Nikodemus Löffl sein Werk: Man muss die mit einer Kettensäge geschaffenen Holzteile gemeinsam hereintragen und zusammenbauen: die beiden aus jeweils einem Stück gesägten Böcke und die aus einem Stamm gesägten beiden Teile der Tischplatte, die auf die Böcke gelegt werden. Die durch den Mehrzweckraum bedingte Mobilität der Kunstwerke unterstreiche das konstruktive, temporäre Element. Sein Anliegen sei gewesen, mit der Gestaltung vom Altar, Ambo und Kerzenhalter sich bewusst von der rechteckigen Konzeption des Gefängnisbaus abzuheben, sagt der 56-jährige Löffl. Das Kreuz für einen Gottesdienstraum in einem Gefängnis sei kein anderes als für eine „normale“ Kirche, sagt Egon Stöckle. Wie Löffls Altar ist auch das fragile Kreuz, das der 80-jährige, in Hohenfurch lebende Bildhauer geschaffen hat, zusammensetzbar. 



Es ist kein geschnitzter Christus; die Spiritualität ausstrahlende Figur, zusammengesetzt aus schmalen Holzteilen, das Gesicht gespalten in zwei Teilen, die Arme angesetzt, symbolisiert die Zerstörung der Existenz Jesu durch den Menschen, gleichermaßen aber wieder Einheit und Heilung des verletzten Menschen. Über dem Haupt ist ein goldene Krone in das Kreuz eingeritzt – die Gestaltung erinnert an den vor Jahren von Stöckle für die Kapelle des Klinikums Augsburg geschaffenen „Christus im Kreuz“.




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