Mittwoch, 9. Juni 2021

Der "Nischel"

 

Jedesmal wenn ich in meine alte Heimat fahre, komme ich an einer Stadt vorbei, die es seit 30 Jahren nicht mehr gibt. Schon seit langer Zeit hatte ich vor, dort einmal anzuhalten und nun habe ich es endlich einmal geschafft.



Die Stadt Chemnitz wurde 1953 nach diesem Kopf benannt, der seit 1971 hier steht und den jeder Einheimische nur als „Nischel“ (der sächsischen Bezeichnung für „Kopf“) kennt. Mit der Umbenennung der Stadt sollte dem deutschen Volke die Augen für die welthistorische Bedeutung dieses größten Sohnes der deutschen Nation geöffnet werden um die werktätigen Massen im Geiste des unversöhnlichen Kampfes für die sozialistische Gesellschaftsordnung zu erziehen.

1990 erhielt die Stadt auf Wunsch ihrer Bürger ihren alten Namen zurück. Die über 7 Meter hohe monströse Portraitbüste jedoch durfte bleiben und wurde im Gegensatz zu anderen sozialistischen Denkmalen nicht vom Sockel gestürzt. Vielleicht weil Karl als gebürtiger Trierer ein Wessi war oder weil es sich vielleicht doch einmal lohnt, über seine Philosophie nachzudenken.



Gleich neben diesem überdimensionalen Kopf entdecke ich noch ein weiteres Monument. Auf diesem lese ich Sprüche eines Dichters aus meiner jetzigen Heimatstadt Augsburg:

 Wir können irren und du kannst Recht haben, also trenne dich nicht von uns“

 



Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. 

Er ist leicht. ...
Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig. ... 

Er ist das Ende der Verbrechen. Er ist keine Tollheit, sondern das Ende der Tollheit. ...

Er ist das Einfache, das schwer zu machen ist.“




Was wir wollen, geht niemals. 

Wer noch lebt, sage nicht: niemals! 

Das Sichere ist nicht sicher. 

So, wie es ist, bleibt es nicht.

(B. Brecht, Lob der Partei, Lob der Dialektik, Lob des Kommunismus,)



Als ich die Stadt verlasse, erschrecke ich über den Verfall der Häuser die sicher bald verschwunden sind, denn im Oktober 2020 wurde die Stadt zur Kulturhauptstadt Europas 2025 ausgewählt. 

 

PS.: Die WHO weist darauf hin, dass die Rückkehr zur Normalität nur für diejenigen möglich ist, die vorher schon normal waren. Es handelt sich hier um eine Pandemie und kein Wunder!  ;-) 



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