Wie
feiert man Palmsonntag, wenn alle Gottesdienste abgesagt sind? Gott
sei Dank muss ich mir diese Frage nicht stellen, denn es sind ja nur
alle öffentlichen Gottesdienste abgesagt. So habe ich die
Möglichkeit, hinter dicken Gefängnismauern, nachdem ich 10 Türen
auf- und wieder zugeschlossen habe, mit meinen „Klienten“
Gottesdienst zu feiern. Das hat vermutlich als ersten Grund, Zustände
wie in Italien zu vermeiden. Dort sind die Gefangenen aufgrund der
weiteren Beschränkungen auf Dach gestiegen. Das wollen wir hier
natürlich nicht und so gibt es als eines der wenigen Angebote für
die Gefangenen noch die Möglichkeit zum Gottesdienst. Allerdings mit
dem gebotenen Abstand, denn der Virus kann bekanntlich nicht lesen
und macht auch vor verschlossenen Türen nicht Halt. So bin ich
gestern und heute 4 Mal mit ca. 15 Gefangene in Gedanken nach
Jerusalem eingezogen und habe mit ihnen „Hosianna“ gerufen.
Hosianna – ein Jubel- und Hilferuf aus dem Psalm 118. An Aktualität
hat dieser Ruf auch nach über 2000 Jahren nichts eingebüßt, da er
zu gut Deutsch soviel wie „Ach Herr, bring doch Rettung“ heißt.
Ich
war überrascht, mit welcher Andacht die Gefangenen mitgefeiert haben
und hoffe, dass dies nicht nur daran lag, dass sie weit auseinander
saßen und so keine Chance hatten, mit ihrem Nachbarn zu schwatzen
oder andere Geschäfte zu machen.
Ein
Gefangener hat für den Gottesdienst folgendes Gebet geschrieben:
„Herr
unser Gott, uns befallen Ohnmacht und Angst, Mutlosigkeit und
Ungewissheit, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit, Wut und innere
Kämpfe. Ja, die Angst vor dem Virus hat auch unseren Gefängnisalltag
in Besitz genommen.
Mit
dem Nicht-Wissen, wie unsere Familien und Freunde da draußen auf der
anderen Seite der Mauer ihren schwierigen Alltag ohne uns meistern,
steigert sich unsere Machtlosigkeit und raubt uns den klaren
Gedanken.
So
bitten wir dich, gib uns Kraft und Stärke.
Lass
unsere innersten Gedanken frei sein bei unseren Lieben da draußen,
lass unsere Gedanken die Mauern überwinden, um wenigstens gedanklich
einen kurzen Moment bei unseren Familien und Freunden zu sein.
Gib
uns auch die Kraft und die notwendige Ruhe, die wir bewahren müssen,
damit wir nicht in andauernde Unruhe verfallen.
AMEN.“
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